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Was geht in einem mechanischen Uhrwerk vor sich?

Im Grunde tragen wir alle die Summe eines jahrhundertelangen Ringens um eine Annäherung der menschlichen Nachahmung des natürlichen Phänomens ‚Zeit‘ mit uns herum. Am Armgelenk, mit dem Uhrwerk im Innern unserer Uhr.

In jeder einzelnen davon, mit dem Organismus einer verbauten Uhrmechanik, steckt die Mühe von Generationen an Tüftlern, Kunsthandwerkern und Ingenieuren, die ein Räderwerk ersonnen oder verfeinerten, das die Zeitmessung ermöglichen oder sie vervollkommnen sollte. Die meisten Namen auf diesem langen Weg werden auf immer unbekannt bleiben. Die Resultate dieser Tüfteleien jedoch sind unsterblich geworden. Was steckt nun prinzipiell drin, in einer mechanischen Uhr? Das wollen wir hier darlegen.

Zeitmessung vor und nach der Entwicklung von Uhrwerken

Für die Zeitmessung bleibt nichts übrig, als sich an der Natur zu orientieren, schließlich gibt diese die Zeit vor – hauptsächlich durch den Tag-Nacht-Wechsel, der den ersten Impuls für Zeitmessung an sich und Überlegungen zur Erfindung eines ‚künstlichen‘ Uhrwerks ausgelöst haben muss.

Die anderen Gründe, Zeit über größere Perioden zu messen, nach Jahreszeiten und landwirtschaftlichen Notwendigkeiten, leitet sich ohnehin von der Erfassung von Tagen, die zu Wochen und Monaten werden, ab. Die Rationalisierung eines Tages setzte mit seiner Einteilung in Abschnitte und ihrer Verplanung ein. Aus der Beobachtung des Sonnenlaufs musste sich die erste Methode der Zeitmessung ableiten: Sonnenuhren.

Der nächste Schritt war, Zeit in feste Einheiten einzuteilen, etwa durch Abfüllen von Wasser oder Sand in bemessene Behälter, von denen bekannt war, dass ihr Entleeren oder Umfüllen definierte Zeitperioden brauchte. Solche Wasseruhren waren schon in der Antike bekannt, die Sanduhr kam fast so spät wie die Räderuhr selbst (14. Jahrhundert).

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Daneben bediente man sich Kerzen mit Markierungen für abgelaufene Stunden, was auch schon eine verlässliche Serienherstellung voraussetzt, nachdem sich durch Beobachtung vorhersagen ließ, wie viele Anteile eines Tages sich bei welchem Kerzenquerschnitt durch Aufzehrung durch die Flamme vergangen sein würden. Die Grundeinteilung dieser Tagesanteile in Stunden und Minuten geht bis zu den Babyloniern und ihrer Bruchrechnung von Sechzigsteln zu einem Ganzen (der Stunde) zurück, Sekunden als Sechzigstel eines Sechzigstel sind danach nur noch folgerichtig.

Zum Zusammensetzen einer Uhrmechanik mussten technische Errungenschaften zusammenkommen, um die Entwicklung des Uhrwerks aus erst hölzernen und dann metallenen, fein gearbeiteten Rädchen voranzubringen. Das Räderwerk allein stellte die wenigste Denkarbeit, sobald die Anzahl Zähne für einen 360-Grad-Umlauf für die Einheiten Stunde, Minute und Sekunde ermittelt waren; die Sequenzierung der Antriebsenergie war viel schwieriger zu bewerkstelligen – also Hemmung, Anker, Unruh für Kleinuhren zu erschaffen. Diese musste ja noch innerhalb einer rudimentär vorhandenen Uhrmechanik eingepasst und weiter verbessert werden. Hier geschah eine Reihe kleiner Erfindungen, die besonders in der Frühzeit häufig anonym geschahen.

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Bilder oben: Das Unitas Handaufzugwerk 6497 gehört zu den bekanntesten Handaufzugwerken von ETA. Hier sieht man es bei der EPOS 3434OH Pilot, die wir dir demnächst ausführlich vorstellen werden.

Grundlegendes zum mechanischen Uhrwerk

Jedem Räderwerk muss eine Antriebsenergie zugeführt werden, die entweder immer abrufbar ist (man denke an ein Mühlen-Wasserrad) oder gespeichert werden muss, um ständig abrufbar zu bleiben, aber auch Verzögerung hinzunehmen. Diese Energie wird aus Federspeichern (erstmals für 1430 dokumentiert) in das Uhrwerk über Zahnräder übertragen. Die Kunst beginnt jetzt darin, die Umdrehungen durch Übersetzungen und eine kalkulierte Anzahl von Zacken und korrespondierenden Lücken auf dem angetriebenen Zahnrad und denen des Partnerrades in gewünschte Umdrehungen pro Zeiteinheit umzusetzen, also pro Minute (für das Sekundenrad), pro Stunde (für das Minutenrad) und pro Halb- oder Volltag á 12 bzw 24 Stunden (für die Untersetzung als Antrieb für den Stundenzeiger).

Die ruckweise Umsetzung in Impulsen dieser gespeicherten Antriebskraft war eine Wissenschaft für sich; die Hemmung eine Grundvoraussetzung für ein Räderwerk und erzeugte diverse konstruktive Ansätze einer Unruh und ihres Ankers für die Uhrmechanik.

Durch Wellen werden diese Umdrehungen der diversen Zahnräder auf Zeiger übertragen, die ein Stockwerk höher, über dem Zifferblatt, entsprechende Markierungen für die Zeit abschreiten. Zuerst kam ein Uhrwerk nur mit einem Stundenzeiger aus (siehe auch die wieder in Mode gekommenen Einzeigeruhren), später kamen Minuten- und anfangs des 18. Jahrhundert endlich auch brauchbare, weil ganggenaue Sekundenzeiger hinzu. Im Folgenden wollen wir die Uhrmechanik in ihre Systembaugruppen aufteilen und besprechen.

Wie eine Uhrmechanik Energie aufspeichert

Die Speicherung der Energie durch Aufziehen einer metallenen Aufzugsfeder ist eines der konstantesten Konstruktionsmerkmale eines Uhrwerks, wenn sich auch das Federmaterial inzwischen geändert haben mag. In einer tragbaren Uhr für die Tasche oder das Armband ist das Aufziehen über eine Krone und die Achse darinnen, die Aufzugswelle, gebräuchlich. Aufzugsräder setzen diese Umdrehungen um und leiten sie über zum Sperrrad, das verhindern soll, dass sich die eingebrachte Spannung im Federhaus darunter gleich wieder durch Zurückschnellen entlädt. Das macht es nötig, dass sich die Feder nur in eine Richtung über das Sperrrad spannen lässt.

Wo das Uhrwerk eine Automatik besitzt, assistiert die Aufzugswelle nur noch ausnahmsweise beim Aufziehen, während der Rotor in eine oder in beide Richtungen drehend Umdrehungen in gespeicherte Energie – die Spannung der Feder im Federhaus – umsetzt.

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Die Aufzugswelle hat für beide Grundtypen auch die Funktion einer Verstellung der Zeiger; ein Werk mag durch Herausziehen der Krone vorübergehend außer Funktion (zum Stillstand) gebracht werden. Um die Antriebsfeder im Zaum zu halten, wird sie im Uhrwerk in ein Federhaus verbannt, was hauptsächlich verhindern soll, dass die Feder sich störend auf andere Achsen und Räder ausdehnen würde. Eine Sicherung soll verhindern, dass diese Feder überspannt wird und es zu Schäden kommt; die Methode dazu unterscheidet sich bei mechanischem Uhrwerk und Automatik. Das Federhaus selbst hat eine Zahnung an seiner umlaufenden Schmalseite, um von dort aus das Räderwerk anzutreiben. Sein erster Partner dazu ist das Minutenrad, von welchem aus sich die anderen Komponenten der Uhrmechanik in ausgeklügelten Übersetzungen ableiten.

Gespeicherte Energie wird zur Bewegung

Nun würde die in der Feder aufgestaute Energie sich sogleich wild und unkontrolliert über das angelegte Räderwerk entladen, wenn der Konstrukteur den Drang nicht auffangen und kanalisieren würde. Er tut dies, indem das Uhrwerk der Drehrichtung des Federhauses seine Hemmung, in Gestalt des Ankers und des Ankerrades, in den Weg stellt. Diese Uhrmechanik nötigt den Impuls zur Umdrehung, nach kürzester Zeit innezuhalten, weil der wippende Anker ihm wechselseitig in die Zahnung greift und so eine ruckweise Sequentierung erzwingt.

Unruh und Spiralfeder sorgen für den Rhythmus dieser Sequentierung (die sich hier auch einstellen lässt, falls die Uhr ungenau geht). Dieses Hin- und Herwippen des Ankers und das wechselnde Arretieren und Freigeben des Ankerrades ist das, was als Ticken der Uhr wahrgenommen wird. Die Unruh und ihre Spiralfeder nehmen jeden Intervall abgegebener Energie auf und speichern sie kurzzeitig, um wie dann wieder an den Anker zurückzugeben. Dasselbe wird in großen Uhren wie Standuhren und Regulatoren in deren Uhrwerk durch das Hin und Her des Pendels bewerkstelligt. Bei ihnen wird zur Regulierung die Länge des Pendels (bzw Verlagerung seines Gewichts) eingestellt, statt die Spannkraft und damit die Zwischenspeicherkapazität der Spiralfeder zu justieren, durch Verlegen des Zeigers nach „F“ (Faster) oder „S“ (Slower) bzw „A“ (Avance) und „R“ (Retard).

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Das bei den beiden oberen Bildern zu sehende Handaufzugwerk MeisterSinger MSH02 ist ein deutsches Manufakturkaliber, das unlängst auch einige Design-Preise abräumen konnte.

Der Antrieb der Zahnräder und ihr Zusammenspiel zur Zeitmessung

Während des Wirkens der Hemmung wird dem Räderwerk gestattet, sich unter Maßgabe des Ruckens des Ankerrades weiterzudrehen. Das geschieht natürlich nach Durchmesser der Teilnehmer im Räderwerk unterschiedlich schnell, was der Sinn der Sache ist. Denn nur so dreht sich das Minutenrad einmal in der Stunde, um seine sechzig Sechzigstel einer Stunde oben auf dem Zifferblatt über der Uhrmechanik anzuzeigen, per Bewegung des auf der Welle aufgesteckten Minutenzeigers.

Das Sekundenrad zwischen Ankerrad und Kleinbodenrad liefert pflichtschuldigst eine Umdrehung in der Minute. Die Bewegungen des Stundenzeigers eine Etage über dem Uhrwerk wird unterdessen vom Minutenrad abgeleitet, notwendigerweise in einem Verhältnis 60:1, so dass es erst zu sechzig Umdrehungen des Minutenrades kommt, ehe das Stundenrad sich um „eine Stunde“ auf den Indices des Zifferblatts fortgedreht haben wird.

Je nach Ausstattung des Uhrwerks können noch Komplikationen hinzukommen über diese ‚Basics‘ hinaus. Das Naheliegendste ist eine Erweiterung zur Stundenübersetzung, welche ein Datumsscheibenrad mit jedem Durchlauf eines Tages antreibt und durch ein Sichtfenster oben den Monatstag bekannt gibt. Die unglaubliche Miniaturisierung des Räderwerks mag dann noch eine Gangreserve, eine Mondphasenanzeige, eine GMT-Zeit oder manches andere zulassen. Die große Kunst der Miniaturisierung setzt ein, all dies in den Beschränkungen eines Gehäuses unterzubringen und dieses Uhrwerk trotz dieser Enge in unermüdlich hoher Präzision arbeiten zu lassen.

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Beim Automatikwerk der Meccaniche Veneziane Nereide Cobalto sind die Finissierungen der verschiedenen Komponenten im Streifenschliff sowie der Rotor aus Messing zu erkennen.

Weiterführende Links und Angaben

Über den Autor

Volker Trauth

Volker ist unser Mann der wohl gewählten Worte und ausdrucksstarken Uhren-Texte. Er berichtet exklusiv bei luxusuhren-test.de von seinen Zeitmessern.

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