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Durch was wird da gelinst? Uhrenglas unter der Lupe

Welcher glasklare oder milchige Himmel sich da als Uhrenglas über unser Zifferblatt spannt, ist keine nebensächliche Frage, sondern ein Qualitätsmerkmal, das sich nicht zuletzt an der Materialfrage aufhängen lässt. Dieses verwendete Material altert, reflektiert und widersteht physischen Gefahren unterschiedlich, wodurch es entweder unansehnlich wird oder gleich zu Bruch geht. Zuletzt spielt nach Spezialaufgaben der Uhr auch noch der Luftdruckausgleich oder die Wasserdichtigkeit des Gewölbes eine Rolle. Ob es einen Alleskönner gibt, der jedes andere Material als Uhrenglas aussticht? Warten wir mit der Beantwortung bis zum Schluss.

Der lange Weg des Uhrenglases zu Haltbarkeit und Dichtigkeit

Viel zu lange mussten Uhren mit ganz gewöhnlichem Fensterglas als Guckfenster auskommen, bis zu den Dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts. In der langen Ära der Taschenuhren war der Schutz des Glases der Grund, weshalb man metallene Sprungdeckel davor montierte.

Es liegt auf der Hand, dass dies nicht auf ewig so weitergehen konnte; dieses einfachste Uhrenglas war nicht nur bruchempfindlich, es konnte auch Kratzer ansammeln und Feuchtigkeit unter der Glocke sammeln – man kennt das von alten Fensterscheiben: sie erblinden.

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Bildnachweis: Dipl.Ing.Kripp. [CC BY-SA 3.0], via Wikimedia Commons

Ab 1930 winkte endlich das Kunststoffglas als Alternative aus Amerika herüber. Doch Kunststoff ist nicht gleich Kunststoff; im Lauf der Zeit wurden davon immer neue Varianten entwickelt. So steht neben Acrylglas, Plexiglas und Hesalit (letztere beiden sind ursprünglich geschützte Firmenbezeichnungen für deren Kunststoffkreationen) zur Verfügung.

Härter wird es ab den Siebziger Jahren mit Mineralglas und seit den Achtziger Jahren mit Saphirglas, die aus anderen Stoffen gewonnen werden als Schmelzsand oder Kunststoff. Wenn man Uhrenliebhabern befragt, werden sie wohl als ideales Uhrenglas das in Hinblick auf Kratzfestigkeit unübertroffenen Saphirglas nennen und diesem den Vorzug geben. Aber das heißt nicht, dass die anderen Glasarten völlig weg vom Fenster wären. Die Schweiz hat sich eine einheimische Glasproduktion für Uhrenzwecke erhalten, während überall sonst auf der Welt Glas aus chinesischen Hütten (oder Kunststofffabriken) verwendet wird.

Auf dem Weg in eine bruchfreie Zukunft: Kunststoff als Uhrenglas

Als damit begonnen wurde, mit dem neuen universellen Kunststoff nach seiner industriellen Zähmung in der Uhrenherstellung zu experimentieren, stand die Forderung nach einem unzerbrechlichen Uhrenglas im Vordergrund. Das bekam man auch mit dem Kunststoffglas.

Doch es hatte seine Nachteile: Kratzempfindlichkeit und nur sehr begrenzte Wasserdichtigkeit selbst über die Fläche (ganz zu schweigen von Rändern). Mit der preiswerten Produktionsmethode wird es aus Granulat hergestellt, das unter Druck in eine Bauform zum Erkalten gepresst wurde. Der andere Weg erschloss sich durch Erhitzen von bereits bestehenden Kunststoffplatten, die dann verformbar wurden und zu Uhrenglas gestaltet werden konnten – das wurde die Methode mit den qualitativ besseren Ergebnissen, welche sogar älter ist als das Granulatgießen.

Immerhin stand man den Kratzern nicht ganz machtlos gegenüber: sie konnten wegpoliert und mit einem Vulkanisierungsverfahren dazu etwas angelöst werden zur Erleichterung des manuellen Entfernens. Für Taucheruhren mit Kunststoffglas wurde es wegen der osmotischen Eigenschaften notwendig, besonders dicke Überwölbungen zu formen. Damit die Kunststoffgläser am Rand nicht eindellten oder Wellen warfen und dann undicht wurden, stellte man sie ‚armiert‘ her, das heisst, sie bekamen gleich einen Metallring mit, der sie an der Kante stabil halten sollte. Ein guter Trick zur Vermeidung von Spannungen und zur Erhöhung der Wasserdichtigkeit.

Plexiglas als eine Spielart des Kunststoffglases birgt einen optischen Vorteil, da es fast gar kein Licht reflektiert und keine Speigelungen zulässt, weshalb das Zifferblatt unter Plexiglas besonders klar und uneingetrübt wirkt. Es wurde beliebt für einen Einsatz in (echten) Fliegeruhren, da es dem Druckausgleich aufgrund von atmosphärischen Höhenunterschieden am aufgeschlossensten gegenübersteht.

Das False-Flag Acrylglas: Hesalit

Der Name für dieses Uhrenglas rührt nur von einer Firmenbezeichnung und ist doch nichts anderes als gewöhnliches Acrylglas, technischer ausgedrückt PMMA oder Polymethylmethacrylat. Es ist etwas elastisch, aber bruchsicher und dürfte zu jenen Uhrenglas-Produkten gehören, die auch heute noch aus der Schweiz bezogen werden. Natürlich klingt ‚Hesalit‘ viel besser und wertiger als in der Beschreibung einer Uhr von Acryl-Kunststoffglas zu sprechen.

Die Uhrenmarken Junkers und Zeppelin (hier dargestellt) nutzen heute noch Hesalitglas bei den markeneigenen Uhrenkollektionen.

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Wenn Erhärtung sich auszahlt: Mineralglas

Was Bleikristall zu normalem Fensterglas ist, das ist Mineralglas zu einfachem Uhrenglas – edler und härter. Doch auch innerhalb der Kategorie als Mineralglas gibt es Unterschiede danach, ob es sich um unbehandeltes oder gehärtetes Mineralglas handelt. Die Bruchgefahr wird allein durch die Härtung mehr als halbiert. Diese Härtung wird über eine chemische Behandlung (Zugabe von Aluminiumoxid oder Boroxid) des Uhrenglases erreicht. Mineralglas vergilbt nicht und lässt keine Feuchtigkeit durch Osmose durch.

Besonders als gehärtetes Uhrenglas ist es immer noch eine preisgünstige Alternative zum Saphirglas. Sollte das gehärtete Mineralglas doch einmal brechen, sollte es weniger zum Entstehen von feinen Splittern kommen, die gefürchtet sind, da sie ins Uhrwerk eindringen und weitere Schäden verursachen können, sobald sie Blockaden verursachen; ähnlich wie Stöcke, die in Radspeichen gesteckt werden.

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Die junge Marke DAYE / TURNER nutzt bei der BETEIGEUZE Armbanduhr Mineralglas. Im günstigen Preissegment findet man viele Uhrenmodelle, die auf das günstigere Mineralglas zurückgreifen.

So hart, dass es schon nicht mehr Glas ist: Saphirglas

Die Mutter aller durchsichtigen Härte. Saphirglas ist schlicht wie erhärtend synthetisch hergestellter Saphir. Wenn man weiß, dass natürlicher Saphir eine Variante des Korund-Minerals ist, bekommt man eine Ahnung, was das an Härte fürs Uhrenglas bedeutet. Korund wird schließlich als Härtespender auf Trennscheiben für Winkelschleifer oder auf Schleifscheiben eingesetzt. Nur Diamanten sind noch härter. Zum Vergleich: 2100 Vickers (Maßeinheit eines Härteprüfungsverfahrens) gegenüber 900 Vickers bei gehärtetem Mineralglas und 400 bei ungehärtetem.

Der Nachteil liegt darin, dass Saphirglas eine starke Lichtbrechung zulässt, was unerwünschte Reflexionen hervorruft. Doch hat die Uhrenindustrie sich darauf eingestellt und mit Beschichtungen als Entspiegelungen für Abhilfe gesorgt. Was wenigstens für die auf der Außenseite die Frage aufwirft, wie resistent diese Beschichtungen ihrerseits bestehen bleiben.

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Gerade bei Taucheruhren kommt Saphirglas aufgrund der zu erzielenden hohen Wasserdichtigkeit zum Einsatz. Hier ist die Bell & Ross BR 03-92 Diver dargestellt, die bis zu 30 ATM wasserdicht is.

Fazit – welches Uhrenglas steht auf der Wunschliste ganz oben?

Möchte man das Optimum aller Fähigkeiten auf ein Glas vereinen, also Bruchsicherheit, Kratzfestigkeit, Wasserdichtigkeit und unverfälschte und entspiegelte Sicht auf das Zifferblatt – wird man mit oberflächenbehandeltem Saphirglas am besten bedient. Für Billiguhren mag es zu kostspielig in der Produktion sein, doch darf man bei edlen Uhren erwarten, dass sie diese Extrakosten rechtfertigen.

Über den Autor

Volker Trauth

Volker ist unser Mann der wohl gewählten Worte und ausdrucksstarken Uhren-Texte. Er berichtet exklusiv bei luxusuhren-test.de von seinen Zeitmessern.

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